Workshop 2020: Franz Burkhard, Improvisation

Von: Martina Albertini | erstellt am: 19.02.2020

Rückblick auf den Workshop mit Franz Burkhard, Januar 2020 von Christian Seiler und Matthias Werder

Feedback zur Weiterbildung mit Franz Burhard

Von Christian Seiler

Franz Burkhard hat am TAG-Weiterbildungswochenende als umgänglicher, sympathischer und kompetenter Leiter crashkursmässig verdichtet, aber in jedem Moment nachvollziehbar und anschaulich dargelegt, wie das Durchspielen von Varianten einer realistischen szenischen Situation die Darsteller*innen auf lustvolle Weise mit ihren Figuren und der Szene vertraut macht und das Spiel durch die immer wieder spontanen Reaktionen auf die veränderten Haltungen lebendig bleibt. Eine schlüssige und ergiebige Erfahrung!

Die körperlichen Einstimmungen hätte ich mir weniger oberflächlich gewünscht, gerade weil danach der Dialog zwischen Köpfen vor jenem zwischen Körpern Vorrang hatte; den Teilnehmenden wurde die passende Interpretation der szenischen Übungen eher monologisch als dialogisch vermittelt, und über eine sinnvolle Anwendung im Schultheaterbereich wäre zu diskutieren: Die Auflage, sich innerhalb der Grenzen des theatralischen Realismus ­ dem Franz Burkhards Methode im Wesentlichen verpflichtet ist ­ zu bewegen, halte ich gerade im Theater am Gymnasium eher für problematisch. Trotzdem: der Kurs war im obengenannten Sinne substanzreich und unterhaltend; ich bereue es nicht, zusammen mit einer einmal mehr sympathischen Gruppe von Theaterpädagogik-Kolleg*innen, teilgenommen zu haben. Dank an Ivo und Franziska fürs Möglichmachen.

Feedback zur TAG-Weiterbildungswochenende mit Franz Burkhard bzw. eine Art Zusammenfassung

Von Matthias Werder

Franz Burkhard hat uns mit ansteckender Begeisterung durch das Wochenende geführt und uns seine zentralen Gedanken in der Arbeit mit Schauspielern/innen vermittelt. Seine Methode, um eine Szene und die Figuren eines Theaterstückes lebendig und authentisch werden zu lassen, hat überzeugt und war auch in den dazu passenden Übungen immer wieder sicht- und spürbar.
Faszinierend war, wie er die körperlichen Abläufe von improvisierten Szenen beobachten und anschliessend in Einzelschritten beschreiben konnte.

Zentrales Mittel ist ein Kennenlernen der Figuren im Set. Zu Beginn standen ein paar wenige Setzungen: Beziehung/Verwandtschaft der Figuren zueinander, Beruf, Alter und Ort des Geschehens. Die Rollen, welche danach auf der Bühne über eine längere Folge von improvisierten Szenen in Beziehung zueinander treten, lernen sich kennen, indem sie verschiedene Lebenssituationen in stets neuen Bühnensituationen durchleben. Spannend war zu sehen, wie durch die Vorgaben und ohne einen Hinweis auf die emotionale Situation, die Emotionen automatisch entstanden. Zentral war dabei das Element der Überraschung, welches erzeugt wurde, indem Franz Burkhard in der Wiederholung der Bühnensituation den Figuren Vorgaben machte, welche oft den gerade gemachten Beobachtungen widersprachen oder Schauspiel-Muster durchbrachen, welche sich abzuzeichnen begannen. Dadurch ergab sich automatisch eine viel höhere Aufmerksamkeit auf das Gegenüber, den Raum und die Requisiten und ‘grössere Ohren’ in der Szene, um zu verstehen, was mit dem Gegenüber los ist. Ähnlich wie bei der bejahenden Grundhaltung im Theatersport.
Die Figuren können dadurch nicht anders, als in Beziehung zu treten, weil sie intensive Erlebnisse mit dem Bühnen-Gegenüber machen und Eifersucht, Scham, Freude, Liebe, Tod, Lob, Beleidigung, Demütigung usw. erleben.

Die Vorgaben reichten von reinen räumlichen Anweisungen. Neue Anfangsposition im Raum (liegen, nahe am Eingang, mit dem Rücken zur Türe, auf den/die Spielpartner/in zugehen) oder während der Szene unverhofft wieder weggehen.

  • Vorgaben zur Textgestaltung: Eine lange Pause nach dem ersten Satz. Keine Antworten geben. Schnell reden
  • Vorgaben zur Körperhaltung: z.B: den Kopf nie heben
  • Veränderungen am Kostüm: z.B. mit oder ohne Schleier, etwas ausziehen
  • Vorgaben zur Situation: Einladen für einen gemeinsamen Abend, Lob für etwas, Meldung vom Tod, z.B. als Telefonanruf unmittelbar vor der Szene. Oder: es ist Vollmond und alle spinnen. Oder: Die eigene Beförderung mit einer Party feiern. Oder: Findet eine Tasche ‑ schaut was drin ist ‑ nimmt etwas oder auch nicht und wird dann erwischt. Oder: Zwei werden erwischt beim Seitensprung. Oder: von einem Autoschaden berichten
  • Vorgaben zur körperlichen Annäherung: Art der Begrüssung, Kuss auf den Hals, Hand auf das Bein, schubsen, die Haare machen, massieren, schlagen, von der Bank stossen, Hände immer in den Hosentaschen lassen

Persönlich hätte ich mir gewünscht, Franz Burkhard hätte uns schneller in eine aktive Rolle versetzt, z.B. indem er uns bei der Suche nach neuen Impulsen integriert hätte oder indem er uns selber in kleinen Gruppen das gerade Erlebte hätte üben lassen. Die Vorgaben halfen, das Publikum zu ‘vergessen’ und bedeuteten eine Entlastung, weil man sich nichts selber vornehmen muss (was eben genau vermieden werden soll). Eine klare Bühnensituation und ein zur Rolle passendes Kostümteil helfen hier zusätzlich.

Zentrales Ziel: nie wissen, was auf einen zukommt und dadurch immer wach und offen bleiben für die Szene.

Die kleine Rückschau hat mir gezeigt, dass Franz Burkhard auch an allen möglichen Ecken des ‘theaterpädagogischen Netzes’ zur Arbeit an einer Szene Impulse gibt. Mit der wesentlichen Einschränkung, die Emotionen nicht zu definieren oder anzusprechen und die Beziehung der Rollen über eine längere Folge von improvisierten Szenen entstehen zu lassen.
Interessiert hätte mich zu erfahren, ob sich Schwierigkeiten ergeben, wenn die improvisatorischen Erlebnisse nicht zu den Vorgaben im Stück passen.

Was für mich gefehlt hat, ist die Wichtigkeit der Art der Verben hervorzuheben. Sobald diese eine aktive Tätigkeit beschreiben, welche auf die andere Person in der Szene gerichtet ist, dann bekommen die Figuren einen inneren Motor, welcher die Szene befeuert. Franz Burkhard hat selbstverständlich solche Verben benutzt, wie z.B: loben, verspotten, beschimpfen, rügen, flirten, beschwichtigen.

Herzlichen Dank an Franz Burkhard und Organisatorinnen.